Stellungnahme: zur geplanten Neugestaltung der Vereinsförderung in Nordhausen

Was hinter dem AfD-Antrag zur Vereinsförderung wirklich steckt – und warum er gefährlich ist

Der Antrag der AfD zur Neugestaltung der Vereinsförderung klingt auf den ersten Blick nach mehr Gerechtigkeit und Transparenz. Doch wer genau hinschaut, erkennt: Dahinter verbirgt sich ein massiver Angriff auf die Zivilgesellschaft. Durch starre Deckelungen, bürokratische Hürden und eine vage definierte „Neutralitätsklausel“ sollen besonders jene Vereine geschwächt werden, die sich für Demokratie, Vielfalt und soziales Miteinander einsetzen. Große Träger, Jugendzentren und Initiativen mit festen Strukturen geraten unter Druck – während echte Bedarfe und gesellschaftlicher Beitrag keine Rolle mehr spielen sollen.

 

Das Ergebnis wäre eine Gleichmacherei ohne Augenmaß, ein Rückbau bewährter Angebote und ein Klima der Verunsicherung. Die AfD verkauft Bürokratie als Transparenz und lähmt damit genau die, die unsere Stadtgesellschaft lebendig halten. Unsere klare Haltung: Demokratie braucht starke Vereine – nicht politische Gängelung. Deshalb lehnen wir diesen Antrag entschieden ab und begründen dies mit der folgenden Stellungnahme.

 

1. Einleitung und Anlass der Stellungnahme

Sollte der AfD-Antrag zur Neugestaltung der Vereinsförderung in Nordhausen mehrheitlich angenommen werden, bestünde die Gefahr, dass wichtige soziale, kulturelle und jugendpolitische Strukturen dauerhaft wegfielen. Gerade in Zeiten gesellschaftlicher Herausforderungen könnten lebendige Vereine, soziale Träger und engagierte Jugendprojekte nicht mehr in gewohnter Weise das Rückgrat einer demokratischen, solidarischen Stadtgesellschaft bilden. Bewährte und dringend benötigte Angebote für sozialen Zusammenhalt, Integration und Demokratiebildung wären akut gefährdet.

 

2. Zielsetzung und Bewertungsfokus

Diese Stellungnahme beleuchtet die möglichen Auswirkungen des AfD-Antrags auf die Vereinsförderung in Nordhausen unter folgenden Gesichtspunkten:

  • Strukturelle Auswirkungen auf Fördersystematik und Vereinslandschaft
  • Konsequenzen für kleine und große Vereine hinsichtlich Transparenzpflichten, Entwicklungsperspektiven und Verwaltungsaufwand
  • Haushalterische Folgen für die Stadt Nordhausen inklusive möglicher Risiken
  • Rechtliche Umsetzbarkeit in Bezug auf Vereinsautonomie und Jugendförderplanung
  • Mögliche Regressforderungen bei Arbeitsplatzverlust
  • Einordnung in bundesweite AfD-Initiativen und Bewertung der politischen Zielsetzung
  • Prüfung der Argumente zu Transparenz und Kontrolle im Vergleich zur bisherigen Praxis

 

3. Bewertung der Antragspunkte und deren Auswirkungen

3.1 Strukturelle Neuausrichtung der Förderung

Der Antrag beinhaltet folgende Kernpunkte:

  • Sockelförderung: Jeder förderfähige Verein erhält einen Grundbetrag
  • Deckelung: Kein Verein erhält mehr als fünf Prozent des Fördertopfes
  • Transparenzpflichten: Offenlegung aller erhaltenen Fördermittel
  • Politische Neutralität: Förderausschluss für Vereine mit parteipolitischer Ausrichtung

 

Bewertung:

Die vorgeschlagene Umverteilung würde zu einer Gießkannen-Finanzierung aller Vereine führen – unabhängig von Größe, Aufgabenbereich oder gesellschaftlicher Bedeutung. Die Deckelung schränkt insbesondere größere Projekte und kontinuierliche Angebote stark ein. Die geforderte politische Neutralität ist nach Auffassung verschiedener Verfassungsrechtler schwer konkret zu fassen und könnte die Mittelvergabe in weiten Teilen dem Ermessen überlassen.

 

Gerade hier ist eine wichtige Klarstellung erforderlich: Für Sport-, Kultur- und Sozialvereine besteht nach aktueller Rechtsprechung keine allgemeine Pflicht zur institutionellen politischen Neutralität. Diese betrifft vor allem staatliche Stellen, nicht jedoch private oder zivilgesellschaftliche Akteure. Ein Neutralitätsgebot für geförderte Vereine ist daher juristisch nicht haltbar und droht, einseitig missbraucht zu werden, um kritische oder demokratie-stärkende Stimmen auszuschließen. Vielmehr muss die Verwaltung / Stadtrat als Fördermittelgeber Neutralität waren und darf nicht nach politischen Vorlieben entscheiden.

 

3.2 Auswirkungen auf kleine Vereine

Durch Sockelförderung und Transparenzpflichten würden auch bisher nicht geförderte kleine Vereine in bürokratische Verfahren eingebunden. Selbst Vereine ohne Förderbedarf müssten umfassende Auskünfte geben, um förderfähig zu bleiben. Die Deckelung verhindert eine flexible Entwicklung, z. B. bei neuen Projekten. Ehrenamtlich geführte Vereine wären durch die zusätzlichen Pflichten besonders belastet und in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt.

 

3.3 Auswirkungen auf größere Vereine und Projekte

Vereine mit kontinuierlichem Personal- und Infrastrukturbedarf – etwa Jugendzentren, soziale Träger oder Kulturinitiativen – könnten ihre Angebote nicht mehr wie bisher aufrechterhalten. Die Deckelung verhindert eine gezielte Schwerpunktsetzung und führt zu einer Angleichung, die der Vielfalt des Vereinslebens nicht gerecht wird.

Gerade Sportvereine, die oft große Mitgliederzahlen aufweisen und vielfältige gesellschaftliche Funktionen erfüllen – von Integration über Gesundheitsförderung bis zur Jugendarbeit – wären durch starre Deckelungen und fehlende Entwicklungsperspektiven erheblich eingeschränkt. Sie gehören ebenso wie Jugend-, Sozial- und Kulturvereine zum Rückgrat einer lebendigen Stadtgesellschaft.

 

3.4 Haushalterische Folgen

Der Antrag erhöht nicht den Fördertopf, verursacht aber einen erheblichen Mehraufwand bei Anträgen, Prüfungen und Nachweisen. Dies kann zusätzliche Kosten verursachen und den ohnehin geringen Haushaltsüberschuss (aktuell 7.000 bis 8.000 Euro laut Stadtkämmerei für 2026) weiter verringern. Langfristig drohen Einsparungen in anderen Bereichen.

 

3.5 Überregionale Einordnung und politische Zielsetzung

Der Antrag folgt einem bekannten Muster der AfD, mit dem zivilgesellschaftliche Strukturen – insbesondere im Bereich Demokratiearbeit – durch restriktive Förderbedingungen geschwächt werden sollen. Die geforderte Neutralitätsklausel ist rechtlich angreifbar und zielt darauf ab, gesellschaftlich engagierte und kritische Vereine von Förderung auszuschließen.

 

3.6 Rechtliche Umsetzbarkeit und Risiken

  • Vereinsautonomie: Die verknüpfte Fördervoraussetzung „politische Neutralität“ und umfangreiche Offenlegungspflichten greifen in die Vereinsfreiheit nach Artikel 9 GG ein und sind nur unter strikter Verhältnismäßigkeitsprüfung zulässig.
  • Jugendförderplan: Die geplanten Regelungen widersprechen dem Jugendförderplan des Landkreises, der eine bedarfsgerechte und kontinuierliche Förderung vorsieht.
  • Regressforderungen: Bei Projektabbruch oder Personalabbau könnten Schadens-ersatzansprüche entstehen.
  • Geschäftsordnung der Stadt: Der Antrag könnte gegen die Geschäftsordnung des Stadtrates verstoßen, da eine Vergabe von Fördermitteln in geringem Umfang durch festgelegte Fachausschüsse unter Beteiligung aller Fraktionen und in öffentlicher Sitzung festgeschrieben ist.
  • Bestehende Verträge: Bereits geschlossene Vereinbarungen mit Trägern wären rechtlich bindend und könnten nicht ohne Weiteres geändert werden.
  • Landesmittelbindung: Fördermittel, die an landesrechtliche Vorgaben geknüpft sind, könnten entfallen, wenn die neuen Bedingungen diesen widersprechen.

 

3.7 Transparenz und Kontrolle in der bisherigen Praxis

Soweit unserer Fraktion bekannt, sieht die bisherige Förderpraxis in Nordhausen bereits eine sachgerechte Prüfung und Nachweispflicht vor. Nicht verbrauchte Mittel werden ordnungsgemäß in den Haushalt zurückgeführt. Der mögliche Eindruck mangelnder Transparenz lässt sich daher nicht nachvollziehen.

 

4. Empfehlungen für die weitere Beratung

Die Fraktion DIE LINKE empfiehlt zur Absicherung der Entscheidungsgrundlage:

  • Eine wissenschaftliche Bewertung durch die Hochschule Nordhausen
  • Eine rechtliche Prüfung durch das städtische Rechtsamt

 

5. Zusammenfassende Bewertung und Empfehlung

5.1 Zentrale Risiken

  • Bürokratisierung
  • Innovationshemmnisse
  • Demokratiegefährdung
  • Verlust an Steuerungsfähigkeit
  • Haushaltsrisiken
  • Rechtliche Unsicherheiten
  • Täuschende Transparenzversprechen

 

5.2 Empfehlung der Fraktion DIE LINKE

Die Fraktion DIE LINKE empfiehlt, den Antrag in vorliegender Form abzulehnen. Die geplanten Regelungen schränken das Vereinsleben massiv ein, gefährden demokratische Strukturen, führen zu unnötiger Bürokratie und sind rechtlich sowie finanziell riskant.

 

Stattdessen spricht sich die Fraktion für eine differenzierte, bedarfsorientierte und transparente Weiterentwicklung der Förderlandschaft aus, die den gesellschaftlichen Beitrag der Vereine angemessen berücksichtigt. Es sollte hinterfragt werden, ob Förderrichtlinien der Stadt Nordhausen ausreichend normiert sind um Vergleichbarkeit darzustellen. Darüber hinaus bedarf es aus Sicht der Fraktion dringend einer fundierten Überarbeitung der Förderrichtlinien – gemeinsam mit Fachjurys, die über ausreichende Distanz zur eigenen Förderpraxis verfügen. Eine zu hohe Beteiligung von Akteuren, die selbst Fördermittel beziehen, kann anderenfalls zu Interessenkonflikten führen.

 

Vorschlag zur Verbesserung des Zugangs für Vereine: Die Fraktion regt an, gemeinsam mit dem Landkreis zu prüfen, ob eine zentrale Fördermittel-Lotsenstelle eingerichtet werden kann, um den Zugang zu Fördermitteln zu erleichtern. Aufgaben dieser Stelle wären u. a.:

 

  • Zentrale Ansprechperson für Förderfragen
  • Individuelle Beratung zu Richtlinien und Antragstellung
  • Hilfe bei der Zusammenstellung von Unterlagen
  • Bereitstellung von Formularen, Checklisten und Leitfäden
  • Unterstützung bei Fristen, Nachweisen und Verwendungsnachweisen
  • Durchführung von Schulungen und Workshops
  • Vernetzung mit Beratungsstellen und Förderplattformen

 

Ziel ist es, insbesondere kleineren und ehrenamtlich geführten Vereinen die Umsetzung ihrer Projekte zu erleichtern.